Jareker Trachten

Die  Jareker  Trachten


von  Inge Morgenthaler  (geborene Schmidt)

Die Jareker Festtagstracht hat sich im Laufe des 19. Jahrhunderts aus den verschiedenen Trachten der evangelischen Einwanderer entwickelt. Die Einwandere kamen aus unterschiedlichen süddeutschen Länder, aber auch aus dem Elsass. Man kann davon ausgehen, dass sich bei der Tracht vor allem die dunklen Farben der evangelischen Herkunftsgebiete durchgesetzt haben. Im evangelischen Elsass findet man noch heute schwarzgrundige Trachten mit einfarbigen roten oder blauen Blumen, die Röcke sind allerdings viel enger und kürzer.

Wir müssen unterscheiden zwischen den Trachten der verheirateten Frauen und der Mädchentracht.


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1.  Die Festtagstracht der Mädchen


Grundsätzlich wurden bei allen Trachten die Röcke nach dem gleichen Schnittmustern genäht. Sie waren etwa 5 m weit, hatten keinen Bund, sondern waren auf ein Band genäht mit dem sie vorne zusammengebunden wurden. Das war sehr praktisch, weil man damit die Weite sehr gut regulieren konnte. Von der vorderen Mittelnaht aus blieben ca. 20 cm auf jeder Seite glatt, danach wurde der Stoff ringsum in ca. 2-3cm breite Falten gelegt, die aber nur im oberen Teil gebügelt wurden. Die Röcke waren nicht ganz bodenlang, so dass man die weißen “Zwickelstrümpfe“ mit kunstvollen Mustern sehen konnte, die am Knie mit einem Strumpfband befestigt wurden. Dazu trug man schwarze Knopfschuhe.

Die Stoffe der ganz jungen Mädchen waren hell grundig mit kleinen bunten Blumen, die Stoffe der älteren Mädchen waren schwarzgrundig aus Satin oder Seide.

Ca. 20 cm vom Saum entfernt waren ringsum in 10 cm Abstand 2 schmale Samtbänder in der Farbe der Blumen aufgenäht. Zu jeder Tracht gehörte eine Schürze. Sie war bei den jungen Mädchen passend zur Rockfarbe, bei den älteren Mädchen und Frauen war sie schwarz und am unteren Saum mit einer farblich passenden Spitze oder mit einer schmalen Plisseekante verziert.




Bild 1  -  Jareker Mädchentracht
ca. 1914.

Zur Mädchentracht trug man ein ca. 5cm breites geblümtes Seidenband, das vorne doppelt in den Bund gesteckt wurde und ca. bis zur Hälfte der Rocklänge herunterhing. Auf keinen Fall durfte das schöne Spitzentaschentuch mit Lochstickerei fehlen, das sehr kunstvoll gefaltet wurde und das man entweder in der Hand trug oder seitlich in den “Bund“ steckte.


Die Oberteile unterschieden sich je nach der Jahreszeit. Im Winter gab es langärmelige Oberteile mit geraden Ärmeln oder Ärmeln mit kleinen Falten an der Kugel Die Oberteile der kleinen Mädchen bestanden aus einem einfarbigen hellen Stoff- , bei den Frauen und älteren Mädchen war er dunkel, oder schwarz. Das Material war sehr häufig Rips, ein einfarbiger Wollstoff oder Samt. Sie wurden vorne mit Haken unsichtbar verschlossen. Neben dem Verschluss war häufig eine Tresse in einem phantasievollen Muster aufgenäht.



Bild 2  -  Jareker Mädchentracht 
                aus dem Jahr 1860


Die Mädchentracht mit Samt-
oberteil ist besonders schön.


Bei der Männertracht sieht man
die vielen Silberknöpfe an der
Weste und den flachen Hut mit
dem breiten Rand.

Der Mann hält eine “Peif“ mit
einem sehr langen Mundstück
in der rechten Hand.


Eine Kette aus schwarzen
“Patra“ (Perlen) schmückt
den Hals der Frau.




Bild 3  -  Eine junge Familie in
sehr schöner Jareker Festtags-
tracht. Die junge Mutter trägt
noch ihre Mädchentracht.


Im Sommer war die Tracht viel luftiger. Statt des langärmeligen einfarbigen Oberteils trugen die Mädchen eine weiße Bluse aus feinem Leinenstoff mit Puffärmel, die am kleinen Ausschnitt und an der Ärmelkante mit einer feinen Spitze verziert war. Darüber war eine schwarze einfarbige Weste “a Leiwl“, die bis an den Bund reichte und auch mit unsichtbaren Haken verschlossen wurde.

Bild 4  -  Das Bild zeigt eine Gruppe junger Mädchen, einige davon
mit “Chaleurtüchern“, in Jareker Festtagstracht bei der
150 Jahrfeier im Jahr 1937. Die Haartracht der Mädchen mit
Mittelscheitel und hoch gestecktem Haarzopf auf dem Hinterkopf
war im 19. Jahrhundert typisch.


Ein so genanntes “Chaleurtuch“ mit Fransen, ein Schultertuch aus Seide oder sehr feinem Wollstoff, das vorne überkreuzt und hinten an der Taille gebunden wurde, war Bestandteil der Sommertracht. Bei Frauen war es schwarz, bei Mädchen geblümt. Den Hals zierte eine Kette aus schwarzen geschliffenen Steinen (Patra).



Unter den weiten Röcken trugen die Frauen und Mädchen an Festtagen und zum Tanz bis zu 6 bretthart gestärkte weiße Unterröcke mit einem breiten Abschluss aus Lochstickerei am Saum. Wenn man bedenkt, dass es bis 1922 keinen elektrischen Strom zum Bügeln gab, kann man ermessen, welche Aufgabe es für die Mütter war, bis sie alle Unterröcke ihrer Familie mit Holzkohle Bügeleisen und Stärke in Schuss gebracht hatten, besonders wenn sie vielleicht 2 heiratsfähige Töchter hatten. Die mussten natürlich besonders “stolz“, (schön heraus geputzt) sein, wenn es am Samstag zum Tanz ins “Wertshaus“ ging.

Bild 5  -  Die Volkstanzgruppe Jarek - Beuren in Jareker Tracht
bei der 200 Jahrfeier in der Beurener Kelter- im Jahr 1987.




Bild 6  -  Nach alten Mustern
geschneiderte Trachten bei
der 200 Jahrfeier in Beuren.

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2.  Die Jareker Frauentracht


Die weiten Röcke der Frauentracht unterschieden sich nur durch die Farben von den Trachten der Mädchen. Bei der Festtagstracht der Frauen waren die Röcke schwarzgrundig mit kleinen in Blumen in dunklen Farben oder die Stoffe waren in sich gemustert, aber nie ganz ohne Muster. Sie bestanden aus feinem Wollstoff oder Kaschmir, manchmal auch aus Seide.

Auch hierzu gehörte eine schwarze Schürze mit Spitzen oder Faltenkante. Die Blusen waren aus einfarbigem schwarzem sehr feinem Wollstoff oder Rips, die so verziert waren wie oben beschrieben, oft hatten sie noch ein “Schößchen.“

Die Schultertücher der Festtagstracht waren im Sommer aus feinem Wollstoff, einfarbig, schwarz oder grau mit Fransen, im Winter aus schwarzem Samt mit Seidenfransen.

Vor der Winterkälte schützte man sich mit gehäkelten “Umhängtüchern“ aus dicker selbstgesponnener Wolle, die natürlich auch schwarz gefärbt war. Manche hatten auch einen “Csurag“, das war ein schwarzer bodenlanger Mantel aus Wollstoff, innen mit einem weißen kurz geschorenen Lammfell gefüttert. An der Außenkante war er ringsum mit einem ca. 15 cm breiten braunen oder schwarzen Fellstreifen besetzt.

Alle Frauen trugen im Freien Kopftücher, die aus den unterschiedlichsten Materialien bestanden. Die jungen Frauen hatten auch schon einmal hellere durchsichtige Kopftücher aus Georgette oder auch aus Rips mit einem gemusterten Kranz am Rand. Auf jeden Fall war es wichtig, dass sie einen schönen scharfen “Krech“, eine Kante hatten. Um dies Kante zu erzielen, legte man ein Stück doppeltes Zeitungspapier hinein, das man hinten bogenförmig zuschnitt.

Im Haus trugen die Frauen die Alltagstracht aus leichten Stoffen, aus Baumwolle oder “Zitz“, aber ebenfalls in schwarz oder dunkelblau und dazu einfache blaue oder schwarze Schürzen. Auf dem Kopf hatten sie Hauben mit einem schmalen Rand und einem Zipfel im Nacken. Man sah nie eine Frau ohne Kopfbedeckung, das war einfach nicht üblich und gehörte zur Tradition. Die Röcke waren auch etwas kürzer und man trug nur einen Unterrock, denn man musste ja in dieser Kleidung schwer arbeiten .und sich darin auch bewegen können.




Bild 7  -  Jareker Frauentracht
                aus dem Jahr 1914.

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3.  Die Jareker Männertracht


Die Jareker Männer trugen an Festtagen schwarze Kniebundhosen mit einem Latz, durch den ein rot kariertes Schnupftuch gezogen wurde. das auf beiden Seiten heraushing Das weiße, an den Oberärmeln gefältelte Leinenhemd wurde in den Bund gesteckt. Es hatte keinen Kragen, sondern nur ein schmales Bündchen am Hals und war vorne gefältelt. Darüber trugen sie eine schwarze Weste mit vielen schönen Silberknöpfen.

Im Winter trug man über der Weste noch ein “Winterregl“, eine Jacke aus einem dicken schwarzen Wollstoff. Für Schlittenfahrten und lange Aufenthalte im Freien hatten die Männer noch einen “Bunda“, das war ein bodenlanger Umhang aus gegerbtem Schaffell, der mit der Fellseite nach innen getragen wurde. In den kalten Wintern der Pannonischen Tiefebene durften natürlich die dicken schwarzen Pelzkappen nicht fehlen, die entweder aus Schaffell oder aus feinem Persianerfell gefertigt waren.



Die Füße steckten im Winter in Stiefeln und im Sommer in handgefertigten Lederschlappen, in denen man auch zum Tanz ging. Die handgestrickten Kniestrümpfe hatten am oberen Rand einen besonders kunstvoll gestrickten breiten Abschluss, der über die Hose gezogen wurde. Auf der Straße trugen schon unsere Ahnen die rund gewölbten breitrandigen schwarzen Hüte, die auch zur Jareker Männertracht gehörten und auf den Bildern von Stefan Jäger sehr schön zu sehen sind.



Die Alltagskleidung der Männer bestand aus einfachen Hosen und Jacken mit aufgesetzten Taschen aus Baumwollstoff, dem sog “Wäschgewand“ Wenn es sehr heiß war, trugen sie auf dem Feld “Katcher“, einfache weite Leinenhosen mit einem Bändel zum Zubinden.

Bild 8  -  Zwei Jareker Paare in traditioneller Tracht. Die Männer
tragen Westen mit Silberknöpfen, schwarze Jacken, Pelzkappen,
knielange Strümpfe und Lederpantoffeln. Das Bild wurde 1937
im Kirchhof aufgenommen.

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Bild 9  -  Aufführung der traditionellen Jareker Hochzeit bei der
200-Jahrfeier in Beuren im Jahr 1987. Zu sehen sind die Jareker
Männertracht, die “Braut“ im Originalrock von 1910 und im
Hintergrund zwei “Kellner“ mit weißen, kunstvoll  gehäkelten
Kellnerschürzen (die Hüte und Schuhe sind modern)
.


4.  Die Jareker Hochzeitstracht


Bis ca. 1920 waren die Brautröcke in Jarek aus schwarzem feinem in sich gemustertem Wollstoff oder aus Seide. Darüber trug man eine schwarze Schürze. Die Zahl und Art der Unterröcke war wie bei der Festtagstracht. Auch das weiße Schnupftuch gehörte dazu. Hier wird schon deutlich, dass die Brautracht nach der Hochzeit zur Festtagstracht der Frau wurde. Um die Braut etwas herauszuputzen und mit etwas Farbe zu versehen, befestigte man an den Oberarmen Rosetten, an die man einfarbige Seidenbänder in zarten Farben heftete, die fast bis zum Boden herab reichten.

Da die Hochzeiten von Januar bis zum Fasching und nach Ostern stattfanden, gab es keine frischen Blumen. Man behalf sich mit zarten kleinen Wachsblumen, die man zu einem ziemlich breiten Kranz band, der fast wie eine Haube aussah. Auch die schwarze Bluse wurde vorne mit bunten Kunstblumen besteckt.

(Hier wäre noch anzumerken, dass dieser Brautrock in vielen Fällen ein Leben lang hielt und die ehemalige Braut als alte Frau nach ihrem Tod darin beerdigt wurde. Genau so war es auch beim Mann. Unsere Vorfahren konnten sich nicht den Luxus eines weißen Kleides leisten, das nur einmal getragen wurde und dann im Schrank hing.)

Der Bräutigam trug seine übliche Ausstattung, aber keine Schlappen, sondern Stiefel. Da es im Winter kalt war, trug er eine schwarze Wollstoffjacke. Auf der rechten Seite brachte man eine große Rosette mit Seidenbändern an, allerdings waren diese kürzer als bei der Braut. Um die Krempe des flachen Hutes lag auch ein Kranz aus Kunstblumen. Auch die Brautführer (mit Schlappen!) hatten diese bekränzten Hüte, dazu noch Rosetten mit Bändern am Oberarm. Daran konnte man sie erkennen.

Bild 10  -  Aufführung einer traditionellen Jareker Hochzeit bei der
150 Jahrfeier in Jarek im Jahr 1937. Zu sehen ist der “Hochzeitszug
mit Braut und Bräutigam“ sowie die “Brautführer“ in ihrer Tracht
mit den bekränzten flachen Hüten.

Bild 11  -  Eine Gruppe von Brautführern und Brautjungfern
bei der 150 Jahrfeier im Jahr 1937.

Die schwarzen Brautröcke wurden zwischen 1920 und 1930 durch hellere Kleidung ersetzt. Die Bräute trugen jetzt einfarbige Röcke und Oberteile, die mit Tressen reichlich verziert waren in zart grauen, blauen oder hell beigen Tönen. Die Schürzen fielen weg. Die vordere Naht wurde in eine seitliche Falte verlegt und die Röcke waren vorne glatt. Dazu trug man einen weißen Schleier, der bis zum Boden reichte und auch schon einen Blumenstrauß aus frischen Blumen.




Bild 12  -  Eine Brauttracht aus den
                  20-iger Jahren.

Schon in den 20iger Jahre heiratete man auch in weiß. Die modernen Zeiten hatten jetzt auch beim Heiraten in Jarek Einzug gehalten.


Die schwarzen Röcke der älteren Frauen wurden in den späteren Jahren kürzer und reichten bis zur halben Wade. Auf das schwarze Kopftuch verzichteten aber die wenigsten.



Die jüngeren Frauen trugen moderne Kleidung und passten sich der jeweiligen Mode an. Auch die Kniebundhosen der Männer wurden durch lange Hosen und Anzüge ersetzt.




Inge Morgenthaler


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