Pfarrer Jakob Wallrabenstein
Pfarrer Jakob Wallrabenstein und sein Werk in Budakeszi
von Rosina Amthor
In Bethel, wo er seinen Lebensabend verbrachte, starb am 30. Dezember 1965 im Alter von 85 Jahren Pastor i. R. Jakob Wallrabenstein. Als junger Donauschwabe aus der Batschka hatte ihn sein Weg nach dem Studium nach Bethel geführt. Dort lernte er den “Vater" Friedrich von Bodelschwingh und die im Betheltal für ”fallsüchtige Kranke" gegründete Stadt kennen. Die Begegnung mit der Persönlichkeit des ”größten Bettlers aller Zeiten", wie man Vater Bodelschwingh respektvoll anerkennend genannt hat, und mit dessen Werk hinterließen bei dem jungen Theologen Wallrabenstein einen starken und nachhaltigen Eindruck, der ihn schließlich zu dem Vorhaben bewog, in seiner pannonischen Heimat ein ähnliches Werk aufzubauen.
Jakob Wallrabenstein wurde 1881 in Jarek in der Batschka geboren. Er war wegen seiner schwachen körperlichen Konstitution für die harte bäuerliche Arbeit ungeeignet. Was lag also näher, als dass man ihn für das Studium bestimmte. So kam er ins Neusatzer Gymnasium, wo er 1902 die Matura ablegte. Dann begab er sich vom äußersten Süden in den äußersten Norden des Landes, nach Preschau, wo er evangelische Theologie studierte. Die letzten zwei Semester verbrachte er in Halle an der Saale.
Als er 1906 sein Theologiestudium abschloss, war er mit den humanitären Einrichtungen der Inneren Mission in Halle bereits bekannt geworden. Dies weckte in ihm die ersten Überlegungen über seine künftige Lebensaufgabe. Als er seinen Professor fragte, wo er noch ähnliche Einrichtungen studieren könnte, sagte ihm dieser: „Gehen Sie nach Bielefeld ins Bethel Bodelschwinghst". Dort lernte er die für die damalige Zeit vorzüglichen Fürsorgeanstalten für Epileptiker, Alkoholiker usw. kennen. Dort gelobte Jakob Wallrabenstein, nach der Rückkehr in die Heimat sein Leben den Menschen mit Behinderung zu widmen. Aber bis dorthin sollte es noch ein weiter Weg werden.
1906 wurde er Pfarrer in Sekitsch und 1910 in Mramorak im Banat. Während seiner Tätigkeit in Mramorak entwickelte er den Plan, ein Kastell zu mieten und als Diakonissenhaus einzurichten. Aber der Ausbruch des Ersten Wettkrieges vereitelte das Vorhaben. Nach dessen unglücklichen Ausgang und dem Untergang des alten Königreichs optierte Wallrabenstein 1922 für Ungarn, übersiedelte von Mramorak nach Budapest und trat dort in den Dienst der methodistischen Kirche, die damals in Ungarn schon intensiv in der inneren Mission tätig war. Bereits im April 1922 schickte ihn die methodistische Kirche nach Nyiregyhäza, wo er besonders unter den Alkoholkranken segensreich wirkte und als Generalsekretär des so genannten ”Blaukreuzbewegung" 1925 für Lehrlinge eine Tagesstätte errichtete. Für die “Blaukreuzbewegung” bereiste er das ganze Land und hielt in Kirchen, Kasernen, Gefängnissen und Vereinen Vorträge gegen den Alkoholmissbrauch.
In Nyiregyhäza gründete er einen Gesangverein und ein Orchester, als Anlaufstelle für elternlose Kinder und Obdachlose.
Im Herbst 1929 kam er zurück nach Budapest, um die Leitung der ungarischen Methodistenkirche zu übernehmen. Fast gleichzeitig gründete er unter dem Namen “Täbitha" einen Diakonissenverein, der sich aber schon 1930 wieder auflöste. Zum Glück, könnte man fast sagen, denn von Vereinsgründungen hatte er nun, wie es scheint, genug: Jakob Wallrabenstein schritt zur Selbsthilfe.
Er sah sich nach einem geeigneten Standort um und gründete am 29. Mai 1930 in dem herrlich gelegenen, vom Wald umsäumten donauschwäbischen Dorf Budakeszi in der unmittelbaren Nachbarschaft der Hauptstadt die ”Ungarische BethelAnstalt". Zu diesem Zweck mietete er in der Räkoczi-Straße am Waldrand sechs Häuser. In der Einrichtung sollten Epileptiker Aufnahme finden. Dem Gründer standen vier Pfleger zur Seite.
Doch bereits 1932 kam es zwischen Wallrabenstein und der methodistischen Kirche zum Zerwürfnis und Bruch. Dies zwang ihn, seine Gründung zu einem Familienbetrieb auszubauen. Die ganze Familie, fünf an der Zahl, half mit. Der älteste Sohn Friedrich Wallrabenstein, studierte Heilpädagogik und sollte die Anstalt weiterführen bzw. war nach dem Studium mit seiner Frau, einer diplomierten Heilpädagogin, in die Leitung Bethels eingestiegen. Alles schien gut zu laufen, bis sich am Heiligen Abend des Jahres 1944 der Belagerungsring der Roten Armee um Budapest schloss und die Front direkt durch Budakeszi lief. Bethel beherbergte um diese Zeit etwa 120 Kinder und Erwachsene, vom 4. bis zum 80. Lebensjahr, zum größten Teil als Pfleglinge des “Königlich ungarischen Kinderheimes für Epileptiker und Schwachsinnige".
Die sowjetischen Truppen verhielten sich Bethel gegenüber äußerst korrekt. In die Krise geriet die Einrichtung, als der Sohn Anfang 1946 mit seiner Familie vertrieben wurde und Ungarn verlassen musste. Um das Werk fortführen zu können übergab Jakob Wallrabenstein die Einrichtung dem ”Ofener Evangelischen Verein". Im September 1950 wurde Bethel schließlich verstaatlicht. Jakob Wallrabensteinlebte mit seiner Frau Katinka noch bis 1959 in Budapest. Dann siedelten sie in die Bundesrepublik, in die Bethel-Anstalt bei Bielefeld. Dort endete 1965 sein Leben, das er in den Dienst der Diakonie gestellt hatte.