Die Gedenkstätte bei den Massengräbern in Jarek wurde eingeweiht.
Am 6.Mai 2017 wurde in Backi-Jarak (Jarek) unter großer öffentlicher Anteilnahme in Anwesenheit von Ministerpräsident Aleksander Vucic, Mitgliedern der Vojvodina Regierung, des deutschen Botschafters in Serbien und Vertretern der Donauschwäbischen Organisationen in Serbien und Deutschland die Gedenkstätte bei den Massengräbern nun endlich eingeweiht. I4 Jahre lang hatte sich der Bundesverband der Donauschwaben darum bemüht und erst nach der Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Ministerpräsident Aleksander Vucic im letzten Jahr war die Genehmigung plötzlich ganz schnell da.
Fast alle der 2000 Bewohner der donauschwäbischen Gemeinde Jarek in der Batschka verließen am 7. und 8. Oktober 1944 in 320 Pferdewagen das Dorf. Ihrem letzten Bürgermeister, Nikolaus Schurr, war es gelungen, die Einwohner zur Flucht zu überreden, da sie ja als Donauschwaben durch die Avnoj Gestze alle enteignet worden waren und kollektiv zu „Kriegsverbrechern“ und „Volksfeinden“ erklärt wurden. Die gesamte Ernte der Gemarkung von ca. 4500 ha, sowie das Vieh in den Ställen und das gesamte Inventar der Häuser blieben zurück.(siehe www.hog-jarek.de/Die Flucht) In den folgenden Wochen wurde das Dorf von den einheimischen Bewohnern der umliegenden Dörfern völlig leer geräumt und schon am 4. Dezember wurden die ersten Donauschwaben, die nicht geflüchtet waren, aus ihren Dörfern in der Süd-Batschka nach Jarek getrieben und in den leeren Häusern auf Strohschütten untergebracht. (bis zu 30 Personen in einem Zimmer) Das Dorf wurde zu einem der schlimmsten Hungerlager für Alte, Kranke und Kinder. Sie bekamen fast nichts zu essen und erlitten unbeschreibliche Qualen. (siehe www.hog-jarek.de/das Lager) Bis zur Auflösung des Lagers an Ostern 1946( 2 Jahre nach Kriegsende) durchliefen es ca. 17 000 Menschen. Ca. 7000 Menschen verloren in dieser Zeit ihr Leben durch Hunger, Krankheiten, Misshandlungen und Erschießungen, darunter fast 1000 Kinder. Die Toten wurden zuerst auf dem Friedhof in die Gruften gesteckt und danach in 7 Reihen Massengräbern hinter dem Friedhof verscharrt. In den Vernichtungslagern in der Batschka, im Banat und in Syrmien verloren von 1944 bis 1948 ca. 50 000 Donauschwaben ihr Leben. Die Lager und die Entrechtung der Donauschwaben wurden bisher von allen Regierungen Jugoslawiens und Serbiens tot geschwiegen. Von den ehemals 550 000 Donauschwaben leben heute nur noch 4000 im Land. Die Avnoj Gesetze wurden nie zurückgenommen. Die Einweihung der Jareker Lagergedenkstätte, die sich in der Nähe ehemaligen Massengräber befindet, wurde nun als Geste der serbischen Regierung zur Aussöhnung und Auseinandersetzung mit dem bisherigen Tabuthema aufgefasst.Ca. 300 Donauschwaben, Überlebende des Lagers, und die Nachkommen der Verstorbenen waren angereist, um endlich ihren Lieben die letzte Ehre zu erweisen. Wir Jareker nahmen mit 18 Personen teil. Auch eine große Anzahl Serben aus Backi-Jarak und Umgebung, sowie viele Anhänger von Ministerpräsident Vucic waren mit Bussen gekommen.
Die Trauerfeier für die Verstorbenen, die ja alle ohne kirchlichen Segen verscharrt worden waren, wurde von dem emeritierten Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zolitsch aus Filippowa und dem evangelischen Pfarrer Jakob Stehle aus Mramorak im Banat gehalten, die beide als Kinder andere Lager überlebt hatten . Umrahmt wurde der feierliche Gottesdienst mit deutschen Liedern, gesungen von einem Chor des Gymnasiums und einem Posaunenchor. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Donauschwaben, Hans Supritz, der sich 14 Jahre lang um die Errichtung der Gedenkstätte bemüht hatte, fand versöhnende Worte. Er sagte u. a. „Der Text auf den Platten solle kommende Generationen daran erinnern, dass verschiedene Nationen in Frieden miteinander lebten, bis sie von der nationalen Verblendung unter großen Opfern getrennt wurden.“ Der deutsche Botschafter in Belgrad, Axel Dittmann, betonte in seiner Ansprache, dass Angela Merkel dem Denkmal große Bedeutung zolle und sich Deutschland stark für den Weg Serbiens in die EU einsetze. Ministerpräsident Aleksander Vucic sagte:“Nur durch die Achtung fremder Opfer werden wir das Recht haben auch Respekt und Achtung für unsere Opfer zu fordern.“ Im Anschluss an die Feier legten die Vertreter der anwesenden Organisationen und die Nachkommen der Opfer zahlreiche Kränze und Blumengebinde nieder. Alle serbischen Fernsehsender und Printmedien und auch viele Deutsche Medien berichteten ausführlich über das Ereignis. Auf youtube kann man unter https://www.youtube.com/watch?v=rzHcNBfiiEc die gesamte Gedenkfeier ansehen.
Inge Morgenthaler
HOG Jarek
Unsere dritte Reise nach Jarek vom 4. 5. bis zum 8.5.2017
Am Donnerstag, den 4. Mai 2017, trafen sich die 18 Teilnehmer unserer dritten Jarek Reise im Flughafen in Stuttgart vor dem Schalter von Air Serbia. Wir hatten die Reise geplant, weil wir bei der Einweihung der Gedenkstätte bei den Massengräbern in Jarek dabei sein wollten, wie schon im Jahr 2015. Damals war trotz aller Versprechungen der zuständigen Behörden die Genehmigung nicht rechtzeitig erfolgt, und so konnte die Gedenkstätte nicht gebaut werden. Es fand aber eine Feier am provisorischen Kreuz statt. Von den 30 Teilnehmern der letzten Reise konnten viele wegen ihres Alters und aus Krankheitsgründen nicht mehr mitkommen. Umso mehr freute es uns, dass Herbert Morgenthaler aus Kalifornien im Alter von 87 Jahren die Strapazen der weiten Anreise nach Stuttgart nicht gescheut hatte und sich unserer Gruppe angeschlossen hat. Am Flughafen in Belgrad erwartete uns unser Reiseleiter Benny, der uns schon bei den beiden anderen Reisen begleitet hatte. Wir kamen über die Autobahn bei strahlendem Sonnenschein nach Novi Sad in unser Hotel Putnik in der Fußgängerzone. Nach einer kurzen Pause machten wir einen Spaziergang durch die Fußgängerzone der Innenstadt über den Stadtpark bis zur Donau. Dabei fiel uns die große Zahl der jungen Leute auf, die die vielen Cafes bevölkerten. Novi Sad ist eine sehr lebendige Stadt mit modernen Geschäften und vielen kleinen Läden in den Höfen und Durchgängen. Wir sahen auch einige prachtvolle, neu renovierte Jugendstilhäuser in den Seitenstraßen. Leider ist im prächtigen Dundjerski Palais jetzt ein Textilkaufhaus einer amerikanischen Kette eingezogen. Unten an der Donau bot sich uns eine herrliche Aussicht auf die Festung Peterwardein. Nach unserem Abendessen im Hotel machten wir noch einen Spaziergang durch die beleuchtete Innenstadt.
Am Freitagmorgen holte uns Benny mit dem Kleinbus ab und wir konnten damit direkt auf die Festung Peterwardein fahren. Hier fotografierten wir natürlich den Uhrturm und Donau mit der Stadt im Hintergrund. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt fuhren wir zur Spitze der Fischerinsel. Hier wartete ein Schiff auf uns, das normalerweise die Kanufahrer begleitet. Auf diesem Katamaran glitten wir gemächlich die Donau hinab in Richtung Sremski Karlovci. Wir fuhren abseits der Hauptfahrrinne zwischen kleinen Inseln hindurch und staunten wie breit die Donau hier war. Wir waren bei gutem Wetter weggefahren, aber plötzlich zogen dunkle Wolken auf. Um von der offenen Wasserfläche wegzukommen, suchte unser Kapitän vor dem aufziehenden Gewitter Schutz in einer kleinen Bucht. Der Regen prasselte auf das Schiff, aber Donner und Blitze zogen schnell vorbei und pünktlich um 1 Uhr konnten wir im Restaurant „Dunav“ in Karlovci unser Mittagessen einnehmen. Danach zeigte uns Benny die Stadt und die Orthodoxe Kathedrale. Einige Teilnehmer besichtigten zum ersten Mal eine Orthodoxe Kirche, die statt eines Altarbilds eine Ikonostase schmückt. In der alten serbischen Schule, die mit schönen Jugendstilornamenten bemalt ist, erklärte uns eine Schülerin mit guten Deutschkennissen die Bilder im Festsaal und die Objekte in der alten Bibliothek. Jeder Schüler lernt in dieser traditionsreichen Schule noch heute drei Fremdsprachen. Den Kontrast zu diesem schönen alten Gebäude bildete das „Heimathaus“, das wir danach besuchten. Es ist ein typisches Ansiedlerhaus aus der Zeit von Maria Theresia. Es zeigt wie bescheiden und einfach unsere Ahnen lebten. Zwei Stuben und eine kleine Küche dazwischen war alles, was sie zum Wohnen hatten. Die niedrigen Wände waren aus gestampftem Lehm und das Dach war aus Schilf. Herr Seder von der „Stiftung Heimathaus“ hat es mit viel Liebe restauriert und öffnet es nach Anmeldung für Besucher. In einem nahen Weinkeller probierten wir noch den berühmten „Bermet“, einen mit Kräutern aromatisierten Weißwein und auch noch traditionelle Weine aus der Region. Die Römer brachten den Weinanbau in ihre Provinz Simium und seit dieser Zeit gibt es hier sehr guten Wein. Zum Abendesen fuhren wir nach Novi Sad in das Restaurant „Aqua Doria“ am Fuße der Festung Peterwardein. Es liegt direkt unter der beleuchteten Regenbogenbrücke. Unser Reisebüro hatte für uns alle das Fischmenü bestellt. Die Fischsuppe und die Fischplatte waren hervorragend. Wir haben selten so gute Fische gegessen. Auch der Blick auf die beleuchtete Brücke und die Stadt war wunderschön.
Am Samstag sollte die Einweihung der Gedenkstätte in Jarek stattfinden. Unser Bus fuhr uns ins Dorf und wir blickten gespannt aus den Fenstern, um zu sehen, was sich in den letzen zwei Jahren verändert hat. Wir hielten zuerst am Gemeindehaus. Wir wollten unsere Gedenktafel ansehen, die wir im Jahr 2010 im Flur anbringen konnten. Der Ortsvorsteher begrüßte uns und zeigte uns auch den großen Saal. Wir waren sehr erstaunt, als wir die Wände sahen. An allen Wänden hingen alte Fotografien und Bilder von früher, alte Dorfansichten, Bilder von unserer Kirche, vom Feuerwehrturm, dem Reiterverein und auch moderne Aquarelle vom Dorf und von der umgebenden Landschaft. Es scheint als hätte sich die heutige Gemeinde Backi-Jarak mit der deutschen Vergangenheit des Dorfes arrangiert und sie wird den Bewohnern des Dorfes und den Besuchern mit diesen Bildern gezeigt. Der Ortsvorsteher gestand uns, dass er einige Bilder von unserer Homepage kopiert hat. Auch auf den frisch renovierten Häusern waren die Namen der ehemaligen deutschen Besitzer nicht etwa entfernt worden, sondern so angestrichen, dass man sie gut lesen kann. Leider ist die Fassade des Gemeindehauses sehr renovierungsbedürftig, aber der Gemeinde fehlt dafür das Geld.
Nach der Besichtigung des Gemeindehauses fuhr uns unser Bus die Kreuzgasse hinunter zur Gedenkstätte am Dorfrand. Wir staunten sehr, als wir die Menschenmassen und die vielen Autos sahen, die rechts und links auf den Grünstreifen neben der Straße geparkt waren. Aus mehreren Bussen stiegen viele junge Leute aus. Unser Bus durfte nur weiterfahren, weil das Kennzeichen angemeldet war. Vom Dorfende bis zum Parkplatz vor der Gedenkstätte standen Absperrungen am Rand der neu geteerten Straße und dahinter drängten sich die Menschen, die von Ordnern eingewiesen wurden. Viele Kamerateams und Reporter mit Mikrophonen suchten sich zwischen den noch leeren Stuhlreihen, die man für die Ehrengäste aufgestellt hatte, einen günstigen Standort. Diese füllten sich langsam, als immer mehr Personen aus schwarzen Limousinen ausstiegen und ihre gekennzeichneten Plätze einnahmen. Auch die Zahl der Zuschauer stieg um uns herum an, so dass die Straße völlig blockiert war. Diese Vorkehrungen waren notwendig, weil eine große Zahl von hochrangigen Gästen zur Feier angekündigt waren, darunter Ministerpräsident Aleksander Vucic und der Deutsche Botschafter Axel Dittmann.
Die Gedenkfeier dauerte etwas mehr als eine Stunde, weil alle Reden übersetzt wurden. Es war eine sehr beeindruckende Feier, bei der alle Redner versöhnliche Worte fanden. (siehe dazu: www.hog-jarek.de/Bericht über die Gedenkfeier und auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=rzHcNBfiiEc, https://www.youtube.com/watch?v=aD7hrsQhz0A)
Nach der Gedenkfeier hatte die Konrad Adenauer Stiftung alle angemeldeten Teilnehmer und die Ehrengäste zu einem Mittagessen in den Saal eines großen neuen Restaurants in der unteren Kreuzgasse eingeladen. Am Nachmittag gingen wir in Gruppen durch das Dorf und einige Reiseteilnehmer wurden von den Bewohnern ihrer ehemaligen Häuser gastfreundlich aufgenommen. Das Dorf hat sich in den letzen zwei Jahren verändert. Einige alte Häuser waren abgerissen worden und neue waren fertig oder gerade im Bau. Es gibt auch einige alte, sehr schön renovierte Häuser in allen Gassen.
Am Abend fuhren wir nach Cenej in die „Salasch 137“ zum Essen. In diesem rustikal und gemütlich eingerichteten Restaurant fühlten sich die älteren Teilnehmer sehr wohl, erinnerte doch die Ausstattung der Räume an die Häuser von früher.
Der Sonntag stand zur freien Verfügung. Einige Teilnehmer fuhren noch einmal mit unserem Bus nach Jarek und spazierten durch das Dorf und an den Fischteich, wo sie den Sportanglern zusahen, die dort Karpfen angelten. Andere blieben in der Stadt, gingen zu Fuß auf die Festung Peterwardein, spazierten durch die Fußgängerzone oder besichtigten das Vojvodina Museum. Abends trafen wir uns im Restaurant „Arhiv“ neben unserem Hotel zu einem hervorragenden Abendessen. Danach hieß es Kofferpacken, denn wir wollten den letzten Tag unsere Reise in Belgrad verbringen.
Am Montag gingen wir nach dem Frühstück noch kurz auf den „Piaz“, um einige typische Produkte einzukaufen. Dann hieß es Abschied nehmen von Novi Sad und seiner schönen Innenstadt, für die meisten von uns war es wohl ein Abschied für immer. Wir fuhren durch die Hügel der Fruska Gora und die aufstrebende Industriestadt Indija, wo sich einige Deutsche Firmen niedergelassen haben, zuerst nach Neu Belgrad und dann durch die alte Stadt. Wir hatten einen guten Reiseleiter, der uns sehr viel zeigte und uns schließlich zur „ewigen Baustelle“ brachte, der Kirche des „Heiligen Sava“. Hier war inzwischen die Krypta fertig geworden, die wir besichtigten. Nach dem Mittagessen in der Altstadt brachte uns unser Bus zum Flughafen. Wir mussten uns von Benny verabschieden, der versprach, uns im Sommer zu besuchen. Unser Flug war pünktlich und um acht Uhr abends landeten wir in Stuttgart.
Es war eine ereignisreiche Reise. Ihr Höhepunkt war die Einweihung der Gedenkstätte, die nach 14 Jahren endlich stattfinden konnte. Damit hat die serbische Regierung das Unrecht anerkannt, das sie der Donauschwäbischen Zivilbevölkerung angetan hat. Die 7000 Toten in den Massengräbern von Jarek können endlich in Frieden ruhen.
Inge Morgenthaler
HOG Jarek