Jakob Bittermann, odr die G'schicht vum „Schieß-Bittermann", wie ihn die Jareker nannten.
Er gehörte zu den entschlossenen Jarekern, die noch vor dem 1. Weltkrieg versuchten, ihr Glück in Amerika zu finden. Er wanderte dorthin aus, kehrte aber „geläutert" und voller Heimweh reumütig wieder nach Jarek zurück. Es muss so in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts gewesen sein, als er in Jarek auffällig wurde. Die Rede ist von Jakob Bittermann, Jahrgang 1881, Haus Nr. 501. Sein Aufenthalt in Amerika war nicht von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt, im Gegenteil, er kam in eine Gesellschaft hinein, die ihn wegen seiner Wortgewandtheit zum „Propheten" stilisierte und ihn ausnutzte. Er ergriff diesen „Beruf`, las eifrig in der Bibel und man gab ihm, oder er nannte sich selbst so, den Namen „Prophet Habakuk".
Unter diesem Namen kannte man ihn in Jarek, so ließ er sich ansprechen, wenn er durch die Jareker Wirtshäuser zog und nach einem oder zwei Liter spendiertem Wein anfing, seine Moralpredigten, streng belegt mit saftigen Bibelsprüchen zu halten. Junge Burschen machten sich einen Spaß daraus, ihm stets eine Flasche Wein hinzustellen und reizten ihn zu seinen Moralpredigten über menschliche Schwächen und ihre Sünden. Da legte er dann los und konnte nicht nur über das „verkommene Amerika" losziehen, wo er gescheitert war, sondern auch über die Großstadt Paris, die in seinen Augen ein „unbeschreiblicher Sündenpfuhl" war.
Und seine Zuhörer, die er als „ Sünder“ betrachtete, versuchte er dann mit seiner immer wiederkehrenden Abschiedsformel in die „Welt“ zu entlassen „wehe euch Sünder, wehe euch Hunde“ Woher er sein Wissen über Paris hatte, wusste man nicht, die jungen Burschen wollten natürlich mehr wissen, warum Paris ein Sündenpfuhl war und wie es in einem Sündenpfuhl in Wirklichkeit zuging.
In einer seiner lautstarken Moralpredigten im Wirtshaus von Johann Barth in der Hauptgasse redete er sich so in Rage, dass er seine Wichtigkeit als „Prophet Habakuk" besonders hervorhob und sich zu dem Ausspruch verleiten ließ, der in Jarek zum allgemeinen Ortsgespräch wurde. Er sagte: „ich bin als Prophet Habakuk" der 1. Mann in Jarek!" Im Moment darauf war es ganz still im Lokal, bis ein junger Mann aus der Menge rief: „Jo, des stimmt schun, wann mr vun Katsch kummt!" Lautes Gelächter bestätigte dieses Aussage, denn Jakob Bittermann bewohnte eines der ersten Häuser an dem Feldweg nach Katsch. Näherte man sich von dort dem Dorf Jarek, fiel der erste Blick auf sein Haus und die seiner Nachbarn.
Belegt ist auch sein steter Ausspruch, wenn er sich in angeheitertem Zustand auf dem Heimweg befand und am Friedhof vorbeikam. Am Eingang war deutlich die Überschrift „Selig sind die Toten" zu lesen. Jakob Bittermann ging an diesem Spruch nie vorbei ohne seinen Kommentar abzugeben. „Ja, selig sind die Toten, aber fröhlich die Besoffenen!" und stieß dabei jedes Mal einen Jauchzer aus, um seiner Fröhlichkeit über seinen Zustand Ausdruck zu verleihen. Es gibt vielleicht noch mehr Anekdoten über ihn, ich wollte nur an sein trauriges und tragisches Schicksal erinnern, das ihn auf die schiefe Bahn brachte: Er zog als „Prophet Habakuk" durch die Jareker Wirtshäuser, predigte und redete den Leuten im Suff in ihr Gewissen, die ihm überhaupt nicht folgen konnten und ihn zur Zielscheibe ihres Spottes machten. So erlebte man ihn, den „Schieß -Bittermann", bis zu unserem Weggang aus Jarek im Jahre 1944.
Diesen Namen gaben ihm auch einige junge Jareker, weil er ihnen aus dem „Wilden Westen" die tollsten Geschichten (ohne Wahrheitsgehalt) erzählte, wo immer nur geschossen wurde und die Leichen sich am Wegesrand stapelten, die er als „Prediger" beerdigen musste. Seine gescheiterte Ehe, der misslungene Aufenthalt und seine Pleite in Amerika und schließlich seine Trunksucht machten ihn vollends zur tragischen und traurigen Figur eines Originals in den letzten Jahren, in der Jarek noch unsere geliebte Heimat war und uns die Kraft gab, auch solche bedauernswerte Menschen zu ertragen.
Der „Schieß- Bittermann“ war eine wirklich tragische Gestalt in Jarek. Hier ist noch eine weitere kleine Anekdoten über ihn: Wenn die Kinder an seinem Haus vorbeikamen, das aus Stube und Küche bestand und das er selbst erbaut hatte, verspotteten sie ihn und riefen. „Habakuk, Habakuk“. Dann kam er heraus, drohte ihnen mit der Faust und rief: „Wehe euch Hunde, wenn ich regiere.“